Aktuell markieren häufig sogenannte Fahrradschutzstreifen, dass Radfahrer Platz auf der Straße brauchen. © Philipp Reimer

Stadt Weinheim hält Regelung nicht für kontrollierbar

ADFC fordert ein Überholverbot, um Fahrradfahrer besser zu schützen. Jetzt äußert sich die Stadtverwaltung ablehnend dazu

 

Weinheimer Nachrichten - von Lena Spilger

Weinheim. Fahrräder dürfen nur überholt werden, wenn der Mindestabstand von 1,5 Metern eingehalten werden kann. Diese Regel gilt deutschlandweit. Wird sie auch eingehalten?

Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC), Ortsgruppe Weinheim führte eine dreimonatige Studie durch, die zeigte, dass die aktuelle Regelung nicht zu greifen scheint. Deshalb hat der Club eine klare Forderung an die Stadt Weinheim: das Verkehrszeichen 277.1 - ein Überholverbot, das es zweispurigen Fahrzeugen untersagt, einspurige zu überholen. Die Stadt Weinheim wiederum hält das Schild für eine „plakative Maßnahme" für Radfahrer und argumentiert gegen die Einführung des Verkehrszeichens.

Frank Weinreich vom ADFC reagiert auf die Stellungnahme der Stadt Weinheim und hält dagegen.
 

Kontrolle und Umsetzung
Pressesprecher Thomas Fischer erklärt, eine Einführung des Überholverbots sei überhaupt nicht kontrollierbar. Das liege daran, dass das unerlaubte Überholen im Fließverkehr vonstattengehe. Anders als bei der Kontrolle von Geschwindigkeitsbegrenzungen könne hier kein automatisches Beweisbild generiert werden, wie beispielsweise durch Blitzer. Er argumentiert weiter, dass


"Wir wünschen uns eine Praxis wie beim Überholverbot von Pkw, wo auf besonders kritischen Strecken ebenfalls die durchgezogene Mittellinie durch ein Verkehrszeichen ergänzt wird" FRANK WEINREICH VOM ADFC


ausschließlich eine rechtssichere Ahndung, also eine, die auch kontrollierbar ist, sinnvoll wäre. Dies sieht die Stadt bei einem Fahrradüberholverbot nicht gegeben. Hinzu käme, dass eine Kontrolle des Verkehrszeichens 277.1 zeit- und personalintensiv sei.
Weinreich greift das Argument der Unkontrollierbarkeit an. Er sagt:
Das Argument der Stadtverwaltung, dass eine Beschilderung sinnlos sei, weil das Überholverbot ohnehin nicht kontrolliert werden könne, kann ich nicht nachvollziehen.
Dann müsste die Stadt konsequenterweise auch alle anderen Verkehrszeichen für den Fließverkehr abmontieren und alle Ampeln abschalten, deren Überwachung ebenfalls eine aktive Verkehrskontrolle erfordert. Ziel einer Beschilderung sollte vielmehr sein, die Verkehrsteilnehmer auf die Unmöglichkeit eines regelkonformen Überholens hinzuweisen und gleichzeitig die Möglichkeit zu schaffen, bei sich häufenden Verstößen gezielt zu kontrollieren. Ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal darauf hinweisen, dass das Überholen trotz Überholverbots einen schwereren Verkehrsverstoß darstellt (mit Eintrag im Verkehrsregister) als das Überholen mit zu geringem Sicherheitsabstand. Wir wünschen uns eine Praxis wie beim Überholverbot von Pkw, wo auf besonders kritischen Strecken ebenfalls die durchgezogene Mittellinie durch ein Verkehrszeichen ergänzt wird.
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In der Mitte der Fahrbahn

Fischer präsentiert eine Alternativlösung zum Fahrradüberholverbot.
Wenn ein Radfahrer nicht überholt werden möchte, solle er mittig auf der Fahrbahn fahren und dem Auto hinter ihm den Überholvorgang unmöglich machen. Nichtsdestotrotz sieht sich die Stadt als Schlichter zwischen Auto und Fahrrad. Die Verkehrsabteilungversuche ständig, zwischen den verschiedensten Verkehrsteilnehmern zu vermitteln. Ob ein Fahrradfahrer mitten auf der Fahrbahn die Debatte entschärft, erscheint auch Weinreich fraglich.


Frank Weinreich:Der Ratschlag der Stadtverwaltung, dass Radfahrer in der Mitte der Fahrspur fahren sollen, um ein Überholen aktiv zu verhindern, steht im Widerspruch zum Rechtsfahrgebot der Straßenverkehrsordnung und ist ohnehin nur etwas für Radfahrer mit starken Nerven: Einige Autofahrer fühlen sich offenbar von Radfahrern in der Mitte der Fahrbahn bedrängt und überholen dann, wenn es wieder möglich ist, besonders eng, um die Radfahrer in die Schranken zu weisen. Hier können Überholverbote deeskalierend wirken, weil sie eine klare Regelung vorgeben."

Rücksichtnahme statt Schild
Einige wünschen sich, dass die Situation auch ohne Verbote und Schilder zu lösen wäre. Das zeigen vor allem die Kommentare auf den sozialen Kanälen. So sieht auch die Stadt sowohl den Rad- als auch den Autofahrer in der Verantwortung, riskante Überholmanöver zu unterlassen. Gegenüber der Redaktion argumentiert Fischer, Radfahrer würden ebenso knapp an Autofahrern vorbeifahren und diese erschrecken.
Dabei handelt es sich um einen verhältnislosen Vergleich, findet Weinreich. Er sagt: „Es wäre sicherlich wünschenswert, dass Zweirad- und Pkw-Verkehr sich unter gegenseitiger Rücksichtnahme ganz ohne Regeln und Verbote den gemeinsamen Straßenraum teilen könnten. Das hat auch der ADFC Rhein-Neckar in seiner Jahreskampagne 2022 unter dem Motto ,Rücksicht im Verkehr - da geht noch mehr!' gefordert. In einer ungeregelten Situation setzt sich jedoch meist der Stärkere gegenüber dem Schwächeren durch. In diesem Falle sind die Radfahrer die Schwächeren, die sich dann oft nicht trauen, auf bestimmten Strecken mit dem Rad zu fahren."


Keine Brisanz?
Die Dringlichkeit, das Verkehrszeichen 277.1 einzuführen, sei nicht gegeben, sagt Fischer. Die eingehende Beschwerdelage sei sehr gering, zudem würden auch die Unfallberichte des Polizeipräsidiums Mannheim für Weinheim zeigen, dass keine Brisanz existiere. Laut der Studie des ADFC Weinheim fahren Autofahrer allerdings in 62 Prozent der Fälle zu nah an Radfahrern vorbei. Dafür passieren im Verhältnis anscheinend tatsächlich wenige Unfälle. Fischer räumt dennoch ein, es müsse natürlich nicht erst etwas passieren, bis man über Lösungsmöglichkeiten sprechen könne. So zeigt die Stadt durchaus Bereitschaft: „Wir werden das in der kommenden Verkehrsbesprechung im Oktober gerne diskutieren."


Frank Weinreich: "Als ADFC Weinheim appellieren wir an die Stadt, hier im doppelten Wortsinne ein Zeichen zu setzen, und erneuern noch einmal unsere Forderung nach einem generellen Überholverbot von Zweirädern auf besonders engen Straßenabschnitten wie in der Müllheimer Talstraße."


https://weinheim.adfc.de/pressemitteilung/stadt-weinheim-haelt-regelung-nicht-fuer-kontrollierbar

Häufige Fragen von Alltagsfahrer*innen

  • Was macht der ADFC?

    Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club e.V. (ADFC) ist mit bundesweit mehr als 190.000 Mitgliedern, die größte Interessenvertretung der Radfahrerinnen und Radfahrer in Deutschland und weltweit. Politisch engagiert sich der ADFC auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene für die konsequente Förderung des Radverkehrs. Er berät in allen Fragen rund ums Fahrrad: Recht, Technik, Tourismus.

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  • Was bringt mir eine ADFC-Mitgliedschaft?

    Radfahren muss sicherer und komfortabler werden. Wir nehmen dafür – auch Dank Ihrer Mitgliedschaft – nicht nur Einfluß auf Bundestagsabgeordnete, sondern setzen uns auf Landes- und Kommunalebene für die Interessen von Radfahrern ein. Für Sie hat die ADFC Mitgliedskarte aber nicht nur den Vorteil, dass wir uns für einen sicheren und komfortablen Radverkehr einsetzen: Sie können egal, wo Sie mit Ihrem Fahrrad unterwegs sind, deutschlandweit auf die AFDC-Pannenhilfe zählen. Außerdem erhalten Sie mit unserem zweimonatlich erscheinenden ADFC-Magazin Information rund um alles, was Sie als Radfahrer politisch, technisch und im Alltag bewegt. Zählen können ADFC-Mitglieder außerdem auf besonders vorteilhafte Sonderkonditionen, die wir mit Mietrad- und Carsharing-Anbietern sowie Versicherern und Ökostrom-Anbietern ausgehandelt haben. Sie sind noch kein Mitglied?

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  • Was muss ich beachten, um mein Fahrrad verkehrssicher zu machen?

    Wie ein Fahrrad verkehrstauglich auszustatten ist, legt die Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) fest. Vorgesehen sind darin zwei voneinander unabhängige Bremsen, die einen sicheren Halt ermöglichen. Für Aufmerksamkeit sorgen Radler*innen mit einer helltönenden Klingel, während zwei rutschfeste und festverschraubte Pedale nicht nur für den richtigen Antrieb sorgen. Je zwei nach vorn und hinten wirkende, gelbe Rückstrahler an den Pedalen stellen nämlich darüber hinaus sicher, dass Sie auch bei eintretender Dämmerung gut gesehen werden können. Ein rotes Rücklicht erhöht zusätzlich die Sichtbarkeit nach hinten und ein weißer Frontscheinwerfer trägt dazu bei, dass Radfahrende die vor sich liegende Strecke gut erkennen. Reflektoren oder wahlweise Reflektorstreifen an den Speichen sind ebenfalls vorgeschrieben. Hinzu kommen ein weißer Reflektor vorne und ein roter Großrückstrahler hinten, die laut StVZO zwingend vorgeschrieben sind.

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  • Worauf sollte ich als Radfahrer achten?

    Menschen, die Rad fahren oder zu Fuß gehen, gehören zu den ungeschützten Verkehrsteilnehmern. Sie haben keine Knautschzone – deshalb ist es umso wichtiger, sich umsichtig im Straßenverkehr zu verhalten. Dazu gehört es, selbstbewusst als Radfahrender im Straßenverkehr aufzutreten, aber gleichzeitig defensiv zu agieren, stets vorausschauend zu fahren und mit Fehlern von anderen Verkehrsteilnehmern zu rechnen.Passen Sie Ihre Fahrweise der entsprechenden Situation an und verhalten Sie sich vorhersehbar, in dem Sie beispielsweise Ihr Abbiegen durch Handzeichen ankündigen. Halten Sie Abstand von Lkw, Lieferwagen und Kommunalfahrzeugen. Aus bestimmten Winkeln können Fahrer nicht erkennen, ob sich seitlich neben dem Lkw Radfahrende befinden. Das kann bei Abbiegemanövern zu schrecklichen Unfällen führen. Beachten Sie immer die für alle Verkehrsteilnehmer gültigen Regeln – und seien Sie nicht als Geisterfahrer auf Straßen und Radwegen unterwegs.

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  • Was ist der Unterschied zwischen Pedelecs und E-Bikes?

    Das Angebot an Elektrofahrrädern teilt sich in unterschiedliche Kategorien auf: Es gibt Pedelecs, schnelle Pedelecs und E-Bikes. Pedelecs sind Fahrräder, die durch einen Elektromotor bis 25 km/h unterstützt werden, wenn der Fahrer in die Pedale tritt. Bei Geschwindigkeiten über 25 km/h regelt der Motor runter. Das schnelle Pedelec unterstützt Fahrende beim Treten bis zu einer Geschwindigkeit von 45 km/h. Damit gilt das S-Pedelec als Kleinkraftrad und für die Benutzung sind ein Versicherungskennzeichen, eine Betriebserlaubnis und eine Fahrerlaubnis der Klasse AM sowie das Tragen eines Helms vorgeschrieben. Ein E-Bike hingegen ist ein Elektro-Mofa, das Radfahrende bis 25 km/h unterstützt, auch wenn diese nicht in die Pedale treten. Für E-Bikes gibt es keine Helmpflicht, aber Versicherungskennzeichen, Betriebserlaubnis und mindestens ein Mofa-Führerschein sind notwendig. E-Bikes spielen am Markt keine große Rolle. Dennoch wird der Begriff E-Bike oft benutzt, obwohl eigentlich Pedelecs gemeint sind – rein rechtlich gibt es große Unterschiede zwischen Pedelecs und E-Bikes.

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  • Gibt es vom ADFC empfohlene Radtouren für meine Reiseplanung?

    Wir können die Frage eindeutig bejahen, wobei wir Ihnen die Auswahl dennoch nicht leicht machen: Der ADFC-Radurlaubsplaner „Deutschland per Rad entdecken“ stellt Ihnen mehr als 165 ausgewählte Radrouten in Deutschland vor. Zusätzlich vergibt der ADFC Sterne für Radrouten. Ähnlich wie bei Hotels sind bis zu fünf Sterne für eine ausgezeichnete Qualität möglich. Durch die Sterne erkennen Sie auf einen Blick mit welcher Güte Sie bei den ADFC-Qualitätsradrouten rechnen können.

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